Leben und Bewegung sind untrennbar miteinander verbunden. Bereits im Mutterleib muss sich das Kind bewegen, damit es sich entwickeln kann.
Die Bewegung ist ein wesentlicher Motor der Gehirnreifung, je ausgereifter das Gehirn ist umso komplexer und koordinierter sind die Bewegungen. Während der Schwangerschaft, der Geburt und in den ersten Lebensmonaten bewegt sich das Kind ausschließlich mit der Hilfe von Reflexen. Diese frühkindlichen Reflexe sind automatisch ablaufende stereotype Bewegungen die durch Reize ausgelöst werden. Sie werden von dem entwicklungsgeschichtlich „ältesten“ Teil unseres Gehirns ausgelöst. Je mehr die Hirnreifung voranschreitet desto mehr bilden sich die absichtlichen Bewegungen (Willkürmotorik) heraus. Nun müssen die unabsichtlichen Bewegungen, die vorher die Entwicklung vorangetrieben haben, integriert werden, denn ein Fortbestehen würde die Weiterentwicklung verzögern. Halte- und Stellreaktionen ermöglichen nun vielfältige Körperpositionen einzunehmen und differenzierte Bewegungen wie z.B. Fahrradfahren, auszuführen. Die Ausreifung von Halte/Stell und Gleichgewichtsreaktionen ist untrennbar mit der sensomotorischen und psychosozialen Entwicklung verbunden.
Was hat das nun mit unseren Kindern zu tun?
Es gibt in zunehmendem Maße Kinder die durch folgende Auffälligkeiten in den Fokus rücken:
- Verzögerungen oder Auffälligkeiten in der Bewegungs- und/oder der Sprachentwicklung
- Ungeschicklichkeit, häufiges Hinfallen
- Erhöhte Ängstlichkeit, Trennungsprobleme/Ängste
- Nicht altersgemäße Trotz-/Wutanfälle
- Starke Stimmungsumschwünge und gesteigerte Bewegungsunruhe
- Ein-/Durchschlafstörungen
- Einnässen/Einkoten in fortgeschrittenem Alter
- Schulprobleme wie Konzentrationsstörungen, Lese-/Rechtschreibschwäche, Dyskalkulie
Diese Kinder sind in einem oder mehreren Bereichen in Ihrer Entwicklung verzögert oder auffällig. Das Zusammenleben mit ihnen ist anstrengend und bedeutet für die Eltern eine ständige Herausforderung, wenn nicht sogar gelegentliche Überforderung. Oft spüren Eltern, dass mit ihrem Kind „etwas nicht stimmt“ und beginnen mit einer zögerlichen Suche nach Hilfe. Für die oft als geringfügig angesehenen Probleme gibt es meist keinen zuständigen Ansprechpartner, vom Kinderarzt werden die Eltern vertröstest mit „das wächst sich noch bis zur Schulzeit aus….“. Leider verstärken diese sich aber mit Schuleintritt meist noch und es zeigen sich nun folgende Probleme:
- Unabhängig von der vorhandenen Intelligenz zeigen sich Auffälligkeiten beim Erlernen von Schreiben, Lesen und Rechnen
- Aufgaben werden nur sehr langsam erledigt
- es fällt schwer Fakten und Ereignisse in eine logische Abfolge zu bringen
- schnelle Ablenkbarkeit und motorische Unruhe
- auffällige Sitzhaltung beim Schreiben
- verkrampfte Stifthaltung
- Verdrehen/Auslassen von Buchstaben
- Auf unliniertem Papier können die Zeilen nicht gehalten werden
- Abneigung zu Lesen/schnelles Ermüden beim Lesen
- Monotone und ausdrucklose Sprache beim Vorlesen
- Entwicklung von Verhaltensproblemen
- Schreckhaftigkeit/Ängstlichkeit
- Meidung von neuen Situationen
- Unkoordinierte Bewegungsabläufe
All diese Auffälligkeiten können Auswirkungen von noch bestehenden Restreaktionen frühkindlicher Reflexe sein. Diese führen dann zu Bewegungs- und Koordinationsstörungen und einer mangelnden neuromotorischen Aufrichtung. Damit ein Kind mühelos Lesen, Schreiben und Rechnen lernen kann, müssen alle seine Systeme reibungslos miteinander funktionieren. Eine ausgereifte Entwicklung seiner Sinne (Hören, Sehen, Fühlen, Eigenwahrnehmung) und seine Motorik müssen zusammenarbeiten denn das ist die Voraussetzung für die Bewältigung der hochkomplexen schulischen Anforderungen. Wir wissen dass Kinder mit den oben aufgeführten Auffälligkeiten einige Halte und Stellreaktionen nicht vollständig entwickelt haben und somit auf die unreifen (aber bekannten und bewährten ) Reflexmuster aus der frühen Kindheit zurückgreifen. Noch einmal muss gesagt werden, dass diese Schwierigkeiten nichts mit mangelnder Intelligenz zu tun haben!!! Die Anwesenheit frühkindlicher Reflexe nach der Baby- Zeit wurde bisher ausschließlich als das Symptom einer Hirnorganischen Schädigung angesehen. In der täglichen Erziehungs- und Schulpraxis zeigt sich allerdings, dass diese Muster auch bei Kindern ohne Hirnorganische Schädigungen zu finden sind. Die Möglichkeit, nun hinter vielen Lern-, Verhaltens-, Bewegungs- und Wahrnehmungsproblemen eine neurophysiologische Reifestörung zu entdecken, eröffnet diesen Kindern und ihren Eltern ganz neue Chancen an der Ursache ihrer Probleme und nicht am Symptom zu arbeiten. Mit einer neurophysiologischen Entwicklungsförderung/Therapie kann man den Kindern nun eine Möglichkeit geben ihr mitgebrachtes Potential ungestört und selbstregulierend auszuleben.
Wie wird vorgegangen?
Im Rahmen einer Anamnese erfolgt eine Beurteilung des neurophysiologischen Entwicklungsstandes im Rahmen dessen Folgendes überprüft wird:
- Neuromotorische Aufrichtung
- Gleichgewicht/Bewegungskoordination
- Grob/Feinmotorik
- Fortbestehen frühkindlicher Reflexe
- Abwesenheit von Stellreaktionen
- Auge/Hand Koordination
- Seitigkeitsentwicklung
- Lese-, Schreib- und Rechenfähigkeit
- Verhalten
Die Ergebnisse des neurophysiologischen Entwicklungsstandes werden in Beziehung zu den Problemen des Kindes gesetzt. Anhand dieser Ergebnisse wird dann ein Übungsprogramm für das Kind erstellt. Eltern und Kind werden detailliert in das Übungsprogramm eingeführt und die Übungen werden eingeübt. Für alle Übungen gibt es eine genaue schriftliche Anleitung, so dass die Übungen täglich (Übungsdauer max. 5-15 Minuten) Zuhause mit elterlicher Unterstützung durchgeführt werden können. Nach 4 Wochen erfolgt eine Überprüfung, welche Aufschluss über die neuromotorische Entwicklung/Verbesserung gibt. Entsprechend der Ergebnisse erfolgt eine Anpassung des Programms. Die Wiedervorstellungen erfolgen in einem Rhythmus von ca. 4 Wochen. Das gesamte Übungsprogram erstreckt sich über einen Zeitraum von 6 Monaten bis zu einem Jahr, je nach Menge der noch zu integrierenden Reflexe.